Schreiben

aus Leidenschaft

Das Leben verläuft nicht immer geradlinig. Ich erzähle vom Auf und Ab. 


Der Spatz

Es war Viertel nach Fünf, als die Frau ihren Mann, der leise neben ihr schnarchte, sanft an der Schulter berührte. Das Licht des Frühsommermorgens hatte eben die ersten Formen und Konturen dem Schlafzimmer zurückzugeben, und der wolkenlose, gerötete Himmel im Osten versprach einen prächtigen Tag.

Der Mann wandte sich von seiner Frau weg auf die Seite und murmelte ein paar unverständliche Worte. Sie rüttelte stärker und beugte sich zu seinem Gesicht.

„Hörst du den Spatz auch?“

Der Mann drehte sich zurück auf den Rücken und stützte sich auf seine Ellenbogen. Er blinzelte und blickte aus verschlafenen Augen auf den Wecker.

„Was ist los? Warum weckst du mich?“

„Ich kann seit einer halben Stunde nicht mehr schlafen wegen diesem Vogel.“

Der Mann liess sich zurück auf das Kissen sinken, atmete tief ein und schüttelte den Kopf.

„Deswegen weckst du mich? Wegen einem Vogel? Es ist bald Sommer, da machen sich die Spatzen halt früh aus den Federn. Lass mich jetzt bitte weiterschlafen. Bitte.“

„Aber hör doch selber... “

Der Befund

Der Arzt rückte seine randlose Brille zurecht. Sein Gesicht war unbeweglich. Er deutete mit dem Zeigfinger auf eine helle, halbrunde Stelle im Röntgenbild, das er auf dem Leuchtkasten befestigt hatte. „Sehen Sie, diese beiden grossen dunklen Lappen, das sind die Lungenflügel. Mit Ihrer Lunge ist alles in Ordnung. Das ist die gute Nachricht. Aber das hier ist ein Teil des Aortenbogens, der aus dem Herzen herausführt. Er ist vergrössert, und ich kann auf dem Röntgenbild nicht erkennen, warum das so ist.“

Der Patient machte ein paar tiefe Atemzüge. Er stand mit nacktem Oberkörper vor dem Arzt und starrte unverwandt auf das Röntgenbild. Dann schüttelte er fast unmerklich den Kopf und zupfte das kleine Pflaster, das ihm die Praxisassistentin vor gut einer Stunde nach der Blutentnahme in die Armbeuge geklebt hatte, weg und liess es in einen Abfalleimer fallen.

„Kann es sein, dass diese Verdickung ein Aneurysma ist?“, fragte er unvermittelt.

Der Arzt zögerte einen Augenblick, wohl erstaunt ob dieser Frage. „Ich kann es nicht ausschliessen. Das Röntgenbild ist zu ungenau. Aber wissen Sie ...“

Fliegergeschichten

Es mochten vielleicht zwanzig Sekunden vergangen sein, seit die vernichtenden Feuerstösse aus den beiden 20-mm-MGs der deutschen Focke-Wulf 190 die englische Spitfire dicht hinter der orangefarbenen, kegelförmigen Propellernase getroffen hatten. Der Motor brannte, gelbrote Feuerzungen schossen seitlich aus dem Rumpf, und das ockergelbe Jagdflugzeug stürzte, eine schwarze Rauchschleppe nach sich ziehend, den Wiesen und Wäldern entgegen, die sich landkartenartig in der Tiefe ausbreiteten. Es war dem Piloten in seinem braunen Lederkombi gelungen, das Cockpitdach abzuwerfen, sich von den Sitzgurten zu lösen und das Flugzeug zu verlassen, „auszusteigen“, wie es im Fliegerjargon heisst.

 

Gebannt schaute ich auf das Titelbild des neuen „Fliegergeschichten“-Heftes. Auf der Zeichnung befand sich der Pilot in gefährlicher Nähe zum Seitenleitwerk der abstürzenden Maschine, während der siegreiche deutsche Flieger im Hintergrund bereits abdrehte. Ob sich der Fallschirm des Engländers öffnen würde, wusste ich nicht, aber ich hoffte es.

Ein Buch voller weiterer spannender Geschichten.

 

"Abaufwärts", das Erstlingswerk von Werner Brechbühl, erzählt Alltagsgeschichten ganz nach dem Motto des italienischen Philosophen und Dichters Giordano Bruno: "Se non è vero, è ben trovato." 

 

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